Epilepsie
Epilepsie
SCN1A-assoziierte Epilepsie
SCN1A
Unter der SCN1A-assoziierten Epilepsie ist ein weites Krankheitsspektrum zusammengefasst. Welches von einfachen Fieberkrämpfen und einer generalisierten Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus (GEFS+) am milden Ende bis hin zum Dravet-Syndrom und schwer therapierbaren Epilepsien im Kindesalter mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (ICE-GTC) am schweren Ende reicht. Insbesondere die Phänotypen mit schwer einstellbaren Krampfanfällen einschließlich des Dravet-Syndroms sind häufig mit einem kognitiven Rückgang assoziiert. Zu den weniger häufig beobachteten Phänotypen gehören die myoklonische astatische Epilepsie, das Lennox-Gastaut-Syndrom, infantile Spasmen sowie die Epilepsie mit fokalen Anfällen. Der Phänotyp der SCN1A-assoziierten Epilepsie kann innerhalb derselben Familie variieren.
Eine SCN1A-assoziierte Epilepsie sollte in Erwägung gezogen werden bei folgenden Symptomen:
- Herabsetzen der Krampfschwelle bei Fieber, Wärme und nach Impfung
- Längere oder hemikonvulsive Krampfanfälle
- Anfallsprovokation durch Überstimulation oder blinkende/gemusterte visuelle Reize
- Verschlimmerung der Anfälle mit Medikamenten, die die Funktion des Natriumkanals als primären Wirkmechanismus hemmen (z.B. Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Lamotrigin)
Diese Merkmale können sich bei einem von mehreren klinischen Epilepsie-Syndromen zeigen, die bei Personen mit einer heterozygoten pathogenen SCN1A-Variante auftreten können.
Fieberkrämpfe (FS) treten in der Kindheit nur in Verbindung mit Fieber auf. Der Beginn sollte nach dem sechsten Lebensmonat liegen und die Krampfanfälle sollten nach dem fünften Lebensjahr aufhören. Auslöser ist Fieber höher als 38° C ohne erkennbare andere Ursache für die Epilepsie. Es handelt sich um einen komplexen Fieberkrampf, wenn der Krampfanfall länger als 15 Minuten andauert, ein weiterer innerhalb von 24 Stunden auftritt oder fokale Merkmale während des Fieberkrampfes auftreten. Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Dravet-Syndroms ist verbunden mit einem Beginn der Fieberkrämpfe vor dem Alter von sieben Monaten, sowie von mehr als 5 Krampfanfällen und einer Anfallsdauer von länger als 10 Minuten.
Fieberkrämpfe plus (FS+) ist gekennzeichnet durch einen Anfallsbeginn vor dem Alter von einem Jahr, eine Persistenz über das Alter von sechs Jahren hinaus, eine ungewöhnliche Schwere (einschließlich Status epilepticus) und das Auftreten von unprovozierten (z.B. afebrilen) Anfällen jeglicher Art.
Betroffene mit einer generalisierten Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus (GEFS+) haben häufig Fieberkrämpfe in der frühen Kindheit, gefolgt von gelegentlichen tonischen, klonischen, myoklonischen oder Absence-Anfällen, die auf Medikamente ansprechen und in der späten Kindheit oder frühen Adoleszenz remittieren. Auch intermediäre Phänotypen mit myoklonischer Epilepsie, Absence-Epilepsie oder fokaler Epilepsie sind eingeschlossen.
Die generalisierte Epilepsie, die durch Mutationen im SCN1A-Gen verursacht wird, umfasst meistens tonische, klonische, tonisch-klonische, myoklonische oder Absence-Anfälle. Der Phänotyp ist ansonsten nicht von einer idiopathischen generalisierten Epilepsie mit Beginn in der Kindheit oder Jugend zu unterscheiden.
Die schwer einstellbare Epilepsie im Kindesalter mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (ICE-GTC) ist definiert als generalisierte Anfälle, einschließlich Absence-Anfälle, mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen mit Beginn im Säuglings- oder Kindesalter. Es können jedoch auch fokale Krampfanfälle bei bis zu 13% der betroffenen Personen auftreten. Eine lokalisierte Epilepsie, die entweder durch abwechselnd hemikonvulsive oder komplexe fokale Krampfanfälle gekennzeichnet ist, kann ebenfalls beobachtet werden. Kinder mit häufigen generalisierten tonisch-klonischen Anfällen können eine geistige Entwicklungsstörung entwickeln.
Nach den Richtlinien für die klinische Diagnose des Dravet-Syndroms erfolgt die Präsentation zwischen dem ersten Lebensjahr und 18 Monaten nach einer Periode normaler Entwicklung. Die Krampfanfälle sind oft langwierig und umfassen rezidivierende generalisierte tonisch-klonische oder hemikonvulsive Anfälle. Myoklonische Krampfanfälle treten typischerweise im Alter von zwei Jahren auf. Der Obtundationsstatus, sowie fokale dyskognitive Krampfanfälle und atypische Absencen werden häufig ab einem Alter von zwei Jahren beobachtet. Die Anfälle werden häufig durch Hyperthermie (z.B. heißes Bad, körperliche Anstrengung, Fieber nach der Impfung), Lichtreize oder Natriumkanal-blockierende antiepileptische Medikamente ausgelöst. Der Status epilepticus ist häufig, und die pharmakologische Behandlung gestaltet sich schwierig. Nach der Pubertät nehmen die Anfälle in der Regel in ihrer Schwere ab. Sie klingen jedoch selten vollständig ab. Die initialen EEGs sind oft normal oder zeigen unspezifische Veränderungen wie eine generalisierte Verlangsamung, aber mit der Zeit ist eine epileptiforme Aktivität nachweisbar. Zu den Mustern können generalisierte Spike- und Wave-Entladungen, mehrfache Spike- und Wave-Entladungen (auch als Polyspike- und Wave-Entladungen bezeichnet) und multifokale Spikes gehören. Das kraniale MRT ist typischerweise normal oder kann eine leichte generalisierte Atrophie und/oder Hippokampus-Sklerose zeigen. Die myoklonischen Anfälle, die tendenziell später im Verlauf auftreten, fallen oft mit dem Auftreten kognitiver Dysfunktion, Ataxie und psychomotorischer Regression zusammen. Ein gewisser Grad an kognitiver Beeinträchtigung ist immer zu beobachten, von mäßig bis schwer, oft mit ausgeprägter Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Ablenkbarkeit. Ängstlichkeit, obsessive Persönlichkeitsmerkmale und Autismus-Spektrum-Störung sind ebenso häufig anzutreffen. Ein gebeugter Gang, muskuläre Hypotonie, Koordinations- und Geschicklichkeitsstörungen treten typischerweise im Alter von drei bis vier Jahren auf. Parkinson‘sche Merkmale von Bradykinesie, Tremor und Antecollis wurden bei Erwachsenen mit Dravet-Syndrom beobachtet.
Die Beschreibung der schweren myoklonischen Epilepsie vom Borderline Typ (SMEB) wird manchmal für Kinder verwendet, die einige, aber nicht alle Merkmale des Dravet-Syndroms aufweisen.
Die infantile fokale Epilepsie mit variablen Herden kann auch als migrierende partielle Epilepsie im Säuglingsalter, kryptogene fokale Epilepsie oder schwere infantile multifokale Epilepsie bezeichnet werden. Multifokale partielle Anfälle können oft die erste Manifestation sein. Bei einigen Kindern sind jedoch Fieberkrämpfe als erste Manifestation beschrieben. Der Schweregrad kann variieren und es wird häufig eine Pharmakoresistenz beobachtet. Myoklonische Krampfanfälle sind selten, können aber durch die Verabreichung von Medikamenten, die den Natriumkanal inaktivieren, wie Phenytoin, Carbamazepin oder Lamotrigin, ausgelöst werden. Eine kognitive Verschlechterung kann auftreten, insbesondere wenn die Krampfanfälle nicht ausreichend behandelt sind. Das EEG zeigt multifokale unabhängige Spikes, aber auch generalisierte Spike- und Wave-Entladungen sind möglich.
KCNQ2-assoziierte Epilepsie
KCNQ2
Bei der KCNQ2-assoziierten Epilepsie handelt es sich um eine Zusammenfassung von sich überlappender epileptischer Phänotypen beim Neugeborenen, welche durch Mutationen im KCNQ2-Gen verursacht werden. Die klinischen Merkmale der KCNQ2-assoziierten Epilepsie reichen von einer benignen familiären neonatalen Epilepsie am milden Ende bis hin zur neonatalen epileptischen Enzephalopathie am schweren Ende.
Die KCNQ2-assoziierte benigne familiäre neonatale Epilepsie ist durch ein breites Spektrum von Anfallstypen (tonische oder apnoeische Episoden, fokale klonische Aktivität oder autonome Veränderungen) gekennzeichnet, die bei ansonsten gesunden Säuglingen zwischen dem zweiten und achten Lebenstag beginnen und zwischen dem ersten und dem sechsten bis zwölften Lebensmonat wieder spontan verschwinden. Die motorische Aktivität kann auf ein Körperteil beschränkt sein, in andere Körperregionen wandern oder generalisieren. Die Anfälle sind im Allgemeinen kurz und dauern ein bis zwei Minuten. Selten entwickelt sich ein Status epilepticus. Etwa 10%-15% der Betroffenen mit KCNQ2-assoziierter benigner familiärer neonataler Epilepsie entwickeln später im Leben epileptische Anfälle.
Die KCNQ2-assoziierte neonatale epileptische Enzephalopathie ist charakterisiert durch mehrere täglichen Anfälle, die in der ersten Lebenswoche beginnen und meist tonisch sind, mit assoziierten fokalmotorischen und autonomen Merkmalen. Die Anfälle hören im Allgemeinen in einem Alter von neun Monaten bis vier Jahren auf. Zu Beginn zeigt das EEG ein Burst-Suppressionsmuster oder multifokale epileptiforme Aktivität. Ein kraniales MRT kann Hyperintensitäten im Bereich der Basalganglien und des Thalamus zeigen, die später wieder verschwinden. Des weiteren können mäßige bis schwere Entwicklungsstörungen auftreten.
GRIN2A-assoziierte Epilepsie
GRIN2A
Veränderungen im GRIN2A-Gen sind bei unterschiedlichen neurokognitiven Erkrankungen beschrieben, spielen jedoch eine bedeutende Rolle bei Epilepsien, die mit einer Störung der Sprachentwicklung einhergehen. Zu den beobachteten schweren Sprachstörungen zählen Dysarthrie und Sprachdyspraxie sowie rezeptive und expressive Sprachverzögerung und Sprachregression. Leichter betroffene Personen weisen lediglich eine subtile Beeinträchtigung der Verständlichkeit der Konversationssprache auf. Zu den Merkmalen der Epilepsie gehören ein Anfallsbeginn in der Regel im Alter zwischen drei und sechs Jahren, eine fokale Epilepsie mit Sprach- und/oder globaler Entwicklungsrückbildung sowie ein Elektroenzephalogramm (EEG), welches kontinuierliche Spike-Wave-Entladungen im Schlaf oder sehr aktive zentrotemporale Entladungen zeigt. Es können Anfälle auftreten, die mit einer Aura einer perioralen Parästhesie assoziiert sind, sowie fokale oder fokalmotorische Anfälle, die sich oft zu generalisierten tonisch-klonischen entwickeln können, und atypische Absence-Anfälle. Des weiteren können GRIN2A-Mutationen bei verschiedenen Epilepsie-Syndromen gefunden werden. Dazu gehören das Landau-Kleffner-Syndrom, die epileptische Enzephalopathie mit kontinuierlicher Spike-Wave im Schlaf, die Epilepsie im Kindesalter mit zentrotemporalen Spikes, die atypische Epilepsie im Kindesalter mit zentrotemporalen Spitzen, die autosomal-dominante Rolando-Epilepsie mit Sprachdyspraxie und die infantil einsetzende epileptische Enzephalopathie.
STXBP1-Enzephalopathie mit Epilepsie
STXBP1
Die STXBP1-Enzephalopathie mit Epilepsie ist gekennzeichnet durch eine früh einsetzende Enzephalopathie mit Epilepsie, das heißt eine mittlere bis schwere geistige Entwicklungsstörung, refraktäre Anfälle und anhaltende epileptiforme Aktivität. Das mediane Alter des Anfallsbeginns liegt bei sechs Wochen. Es kann jedoch auch ein früherer Krankheitsbeginn sowie ein späterer bis zu einem Alter von 13 Jahren beobachtet werden. Zu den Anfallstypen können kindliche Spasmen, generalisierte tonisch-klonische, klonische oder tonische Anfälle sowie myoklonische, fokale, atonische und Absence-Anfälle gehören. Zu den Epilepsie-Syndromen können das Ohtahara-Syndrom, das West-Syndrom, das Lennox-Gaustaut-Syndrom und das Dravet-Syndrom (nicht SCN1A assoziiert), das klassische Rett-Syndrom (nicht MECP2 assoziiert) und das atypische Rett-Syndrom (nicht CDKL5 assoziiert) gehören. Das EEG ist gekennzeichnet durch fokale epileptische Aktivität, Burst-Suppression, sowie eine Hypsarrhythmie oder generalisierte Spike-and-slow-Waves. Des weiteren können ein abnormaler Tonus, Bewegungsstörungen, insbesondere Ataxie und Dystonie, sowie Verhaltensstörungen, einschließlich einer Autismus-Spektrum-Störung, beobachtet werden. Zudem können Fütterungsprobleme auftreten.
CHD2-assoziierte epileptische Enzephalopathie der Kindheit
CHD2
Die CHD2-assoziierte epileptische Enzephalopathie der Kindheit ist gekennzeichnet durch eine früh einsetzende epileptische Enzephalopathie mit refraktären Anfällen und kognitive Verlangsamung oder Regression in Verbindung mit häufig anhaltender epileptiformer Aktivität. Der Anfallsbeginn liegt typischerweise im Alter zwischen sechs Monaten und vier Jahren. Zu den Anfallstypen gehören typischerweise Sturzattacken, Myoklonus und ein rascher Beginn mehrerer Anfallstypen, die mit generalisierten Spike-Waves im EEG, atonisch-myoklonischen Absence-Anfällen und klinischer Lichtempfindlichkeit assoziiert sind. Des weiteren können eine geistige Entwicklungsstörung und/oder Autismus-Spektrum-Störungen auftreten.
SYNGAP1-assoziierte geistige Entwicklungsstörung
SYNGAP1
Die SYNGAP1-assoziierte geistige Entwicklungsstörung ist gekennzeichnet durch eine Entwicklungsverzögerung oder geistige Entwicklungsstörung (100% der betroffenen Personen), eine generalisierte Epilepsie (~84%) und eine Autismus-Spektrum-Störung sowie andere Verhaltensanomalien (≤50%). Die geistige Entwicklungsstörung kann von mäßig bis schwer reichen. Bei wenigen Fällen wurde sogar nur eine leichte geistige Entwicklungsstörung beschrieben. Die Epilepsie ist generalisiert. Bei einigen Oatientne kann auch eine myoklonische astatische Epilepsie (Doose-Syndrom) oder eine Epilepsie mit myoklonischen Absencen auftreten. Zu den Verhaltensanomalien können stereotype Verhaltensweisen wie Händeklatschen, Besessenheit von bestimmten Gegenständen sowie eine schlechte soziale Entwicklung gehören. Des weiteren können erhebliche Fütterungsprobleme auftreten.
DEPDC5-assoziierte Epilepsie
DEPDC5
Die DEPDC5-assoziierte Epilepsie umfasst eine Reihe von Epilepsiesyndromen, die fast alle durch fokale Anfälle gekennzeichnet sind, wobei die Anfälle in einem diskreten Bereich des Gehirns beginnen. Während die meisten Personen mit DEPDC5-assoziierter Epilepsie ein normales MRT des Gehirns haben, weisen einige Betroffene eine Epilepsie in Verbindung mit einer kortikalen Missbildung, in der Regel einer fokalen kortikalen Dysplasie, auf. Zu den Anfallssyndromen gehören die familiäre fokale Epilepsie mit variablen Herden, die autosomal-dominante nächtliche Frontallappen-Epilepsie, die familiäre mesiale Temporallappen-Epilepsien, die autosomal-dominante Epilepsie mit Hörstörungen sowie kindliche Spasmen. Obwohl die psychomotorische Entwicklung in der Regel normal ist, wurde bei einigen Personen eine geistige Entwicklungsstörung oder eine Autismus-Spektrum-Störung beobachtet.
SCN8A-assoziierte Epilepsie mit Enzephalopathie
SCN8A
Die SCN8A-assoziierte Epilepsie mit Enzephalopathie ist charakterisiert durch eine Entwicklungsverzögerung, Anfallsbeginn in den ersten 18 Lebensmonaten (im Mittel 4 Monate) und eine schwer einstellbare Epilepsie, die durch mehrere Anfallstypen gekennzeichnet ist (generalisierte tonisch-klonische Anfälle, infantile Spasmen sowie Absencen und fokale Anfälle). Zu den Epilepsiesyndromen können das Lennox-Gastaut-Syndrom, das West-Syndrom und epileptische Enzephalopathien wie das Dravet-Syndrom gehören. Eine muskuläre Hypotonie und Bewegungsstörungen wie Dystonien, Ataxie und Choreoathetose werden zudem beobachtet. Die psychomotorische Entwicklung variiert von normal vor Beginn des Anfalls, mit anschließender Verlangsamung oder Regression nach Beginn des Anfalls, bis hin zu einer von Geburt an bestehenden Entwicklungsverzögerung. Eine geistige Entwicklungsstörung reicht von leicht bis schwer, wobei ~50% der Betroffenen eine schwere Entwicklungsverzögerung aufweisen. Zusätzlich zeigen einige Bertoffene autistische Verhaltensweisen. In etwa 10% der veröffentlichten Fälle kann es zu einem plötzlichen unerwarteten Tod bei Epilepsie mit unbekannter Ursache kommen.
SLC12A5-assoziierte Epilepsie
SLC12A5
Die SLC12A5-assoziierte Epilepsie im Säuglingsalter mit wandernden fokalen Anfällen ist eine seltene Erkrankung, die durch den Beginn der Anfälle vor dem Alter von sechs Monaten und entweder durch eine Entwicklungsverzögerung oder eine Entwicklungsregression mit Anfallsbeginn gekennzeichnet ist. Bei den meisten Kindern beginnt die Epilepsie als fokal-motorische Epilepsie, typischerweise mit Kopf- und Augenabweichung, die multifokal und mit konventionellen Antiepileptika schwer therapierbar ist. Zusätzlich können eine postnatale Mikrozephalie sowie eine muskuläre Hypotonie beobachtet werden.
KCNT1-assoziierte Epilepsie
KCNT1
Die KCNT1-assoziierte Epilepsie ist am häufigsten mit zwei Phänotypen assoziiert, der Epilepsie des Säuglingsalters mit wandernden fokalen Anfällen (EIMFS) und der autosomal-dominanten nächtlichen Frontallappenepilepsie (ADNFLE).
Die Epilepsie des Säuglingsalters mit wandernden fokalen Anfällen (EIMFS) ist gekennzeichnet durch Anfälle, typischerweise fokal und asynchron, die in den ersten sechs Lebensmonaten beginnen und mit einem Entwicklungsplateau oder einer Regression einhergehen. Autonome Manifestationen wie z.B. periorale Zyanose, Gesichtsröte und Apnoe sind häufig. Die Krampfanfälle besprechen nur sehr schlecht auf multiple Antikonvulsiva an und schreiten im Alter von sechs bis neun Monaten nahezu kontinuierlich fort.
Die autosomal-dominanten nächtlichen Frontallappenepilepsie (ADNFLE) ist durch Cluster nächtlicher motorischer Krampfanfälle gekennzeichnet, die von einfachen Arousals bis zu hyperkinetischen Ereignissen mit tonischen oder dystonischen Merkmalen variieren können. Betroffene Personen mit KCNT1-assoziierter autosomal-dominanten nächtlichen Frontallappenepilepsie entwickeln Anfälle mit höherer Wahrscheinlichkeit in jüngerem Alter, sowie weisen eine kognitive Komorbidität und zeigen psychiatrische und Verhaltensprobleme im Vergleich zu Personen mit einer autosomal-dominanten nächtlichen Frontallappenepilepsie aufgrund einer anderen Ursache. Zu den weniger häufigen Anfallsphänotypen bei Personen mit KCNT1-assoziierter Epilepsie gehören das West-Syndrom, das Ohtahara-Syndrom, frühe myoklonische Enzephalopathie, Leukodystrophie und/oder Leukoenzephalopathie, fokale Epilepsie und multifokale Epilepsie. Weitere neurologische Merkmale sind muskuläre Hypotonie, Mikrozephalie, die sich bis zum Alter von 12 Monaten entwickelt, Strabismus, tiefgreifende Entwicklungsverzögerung und zusätzliche Bewegungsstörungen. Zusätzlich wurden andere systemische Manifestationen wie Lungenblutungen, die durch prominente systemisch-pulmonale Kollateralarterien verursacht wurden, und Herzrhythmusstörungen beobachtet.
POLG-assoziierte Erkrankungen
POLG
Die POLG-assoziierte Erkrankungen umfassen ein Spektrum sich überlappender Phänotypen, die klinisch definiert wurden, lange bevor ihre molekulare Grundlage bekannt war. Die meisten Betroffenen weisen einige, aber nicht alle Merkmale eines bestimmten Phänotyps auf. Nichtsdestotrotz kann die folgende Nomenklatur dem Kliniker bei der Diagnose und Behandlung helfen. Der Krankheitsbeginn reicht vom Säuglings- bis zum späten Erwachsenenalter.
Das Alpers-Huttenlocher-Syndrom (AHS), einer der schwersten Phänotypen, ist durch eine in der Kindheit einsetzende progressive und letztlich schwere Enzephalopathie mit schwer einstellbarer Epilepsie und Leberversagen gekennzeichnet.
Die kindliche Myozerebrohepatopathie (MCHS) tritt zwischen den ersten Lebensmonaten und etwa dem dritten Lebensjahr mit Entwicklungsverzögerung oder Demenz, Laktatazidose und einer Myopathie mit Gedeihstörung auf. Des weiteren können Leberversagen, renale tubuläre Azidose, Pankreatitis, zyklisches Erbrechen und Hörverlust beobachtet werden.
Die myoklonische Epilepsie-Myopathie-sensorische Ataxie (MEMSA) beschreibt das Spektrum der Erkrankungen mit Epilepsie, Myopathie und Ataxie ohne Ophthalmoplegie.
Die zerebelläre Ataxie, im Allgemeinen das erste Anzeichen, beginnt im jungen Erwachsenenalter als subklinische sensorische Polyneuropathie. Die Epilepsie entwickelt sich in späteren Jahren, beginnt oft fokal im rechten Arm und breitet sich dann aus, um generalisiert zu werden. Die Anfälle besprechen nur sehr schlecht auf eine konventionelle Therapie, einschließlich Anästhesie, an. Wiederkehrende Anfälle gehen mit einer progressiven interiktalen Enzephalopathie einher. Die Myopathie kann distal oder proximal verlaufen, oder sich wie bei anderen POLG-assoziierten Erkrankungen auch lediglich als Belastungsintoleranz darstellen.
Das Ataxie-Neuropathie-Spektrum (ANS) umfasst die Phänotypen, die früher als mitochondriales rezessives Ataxie-Syndrom (MIRAS) und sensorische Ataxie-Neuropathie-Dysarthrie und Ophthalmoplegie (SANDO) bezeichnet wurden. Etwa 90% der Personen mit Ataxie-Neuropathie-Spektrum haben eine Ataxie und Neuropathie als Hauptmerkmale. Etwa zwei Drittel entwickeln Anfälle und fast die Hälfte eine Ophthalmoplegie. Eine Myopathie tritt eher selten auf.
Die autosomal-rezessive progressive externe Ophthalmoplegie (arPEO) ist durch eine progressive Schwäche der extraokularen Augenmuskeln gekennzeichnet, die zu einer Ptosis und Ophthalmoparese oder Parese der extraokularen Muskeln ohne damit verbundene systemische Beteiligung führt. Es ist jedoch zu beachten, dass viele Personen mit einer scheinbar isolierten autosomal-rezessiven progressiven externen Ophthalmoplegie über Jahre oder Jahrzehnte auch andere Manifestationen von POLG-assoziierten Erkrankungen entwickeln können. Bei dem Ataxie-Neuropathie-Spektrum tritt die Neuropathie gewöhnlich Jahre bis Jahrzehnte vor der progressiven externen Ophthalmoplegie auf.
Die autosomal-dominante progressive externe Ophthalmoplegie (adPEO) umfasst typischerweise eine generalisierte Myopathie und oft unterschiedliche Grade von Schallempfindungsschwerhörigkeit, axonaler Neuropathie, Ataxie, Depression, Parkinsonismus, Hypogonadismus und Katarakt (bei der sogenannten „chronisch-progressiven externen Ophthalmoplegie plus“ oder „CPEO+“).
TBC1D24-assoziierte Epilepsie
TBC1D24
Die TBC1D24-assoziierte Epilepsie umfasst mehrere Krankheitsbilder:
Das DOORS-Syndrom ist gekennzeichnet durch Taubheit, Nageldystrophie, Osteodystrophie, mentale Retardierung und Krampfanfälle. Der sensorineurale Hörverlust ist oft hochgradig und tritt meist vor dem Spracherwerb auf. Aus diesem Grund sind Cochlea-Implantate zu empfehlen. Die Nageldystrophie betrifft Hände und Füße gleichermaßen. Bei den meisten Betroffenen sind nur kleine Nägel oder fehlende Nägel vorhanden sowie hypoplastische Endphalangen. Ein triphalangealer Daumen ist bei einem Drittel der betroffenen Personen vorhanden. Die geistige Entwicklungsstörung kann in ihrer Ausprägung erheblich variieren, ist aber oft schwerwiegend. Krampfanfälle, die bei den meisten Betroffenen mit DOORS-Syndrom auftreten, beginnen gewöhnlich im ersten Lebensjahr. Die Anfälle sind häufig generalisierter tonisch-klonischer Natur, aber es können auch myoklonische, partielle und Absence-Krampfanfälle auftreten. Gelegentlich nimmt ihre Häufigkeit oder Schwere zu. Bei einem Anteil der Patienten kann es zu Problemen bei der medikamentösen Behandlung kommen, so dass selbst mit mehreren antiepileptischen Medikamenten die Krampfanfälle nur schwer zu kontrollieren sind und im schlimmsten Fall zu einem Status epilepticus und zum Tod führen können. Im MRT können hyperintensive T2-gewichtete Signalanomalien in den Kleinhirnhemisphären und der Frontalregion beobachtet werden.
Die familiäre infantile myoklonische Epilepsie ist durch früh einsetzende myoklonische Anfälle gekennzeichnet. Zusätzlich können auch eine fokale Epilepsie, Dysarthrie sowie eine leichte bis mäßige geistige Entwicklungsstörung auftreten. Im kranialen MRT lässt sich mit hoher T2-Gewichtung und FLAIR eine kortikale Verdickung und zerebelläre Atrophie nachweisen.
Die progressive Myoklonus-Epilepsie ist durch einen Aktionsmyoklonus, tonisch-klonische Anfälle, sowie einen progressiven neurologischen Rückgang und Ataxie gekennzeichnet.
Die frühinfantile epileptische Enzephalopathie 16 ist gekennzeichnet durch früh einsetzende Krampfanfälle, die nicht auf Medikamente ansprechen, sowie durch myoklonische Anfälle oder maligne, wandernde partielle Anfälle im Säuglingsalter. Zusätzlich können extrapyramidale Zeichen wie z.B. Dystonie, oder Hemiparesen. Es kann zu einer progressiven diffusen zerebralen Atrophie mit einer neurologischen Verschlechterung und einem frühen Tod kommen.
Der autosomal rezessive nicht-syndromale Hörverlust (DFNB86) ist gekennzeichnet durch eine hochgradige Taubheit, die bereits vor dem Spracherwerb einsetzt.
Der autosomal dominante nicht-syndromaler Hörverlust (DFNA65) ist gekennzeichnet durch eine langsam fortschreitende Taubheit mit Beginn im dritten Lebensjahrzehnt, die zunächst die hohen Frequenzen betrifft.
KCNQ3-assoziierte Epilepsie
KCNQ3
Die KCNQ3-assoziierte Epilepsie beinhaltet die gutartige familiäre neonatale Epilepsie (BFNE) und die gutartige familiäre infantile Epilepsie (BFIE), sowie Anfallsleiden, die bei Kindern auftreten, die typischerweise eine normale psychomotorische Entwicklung haben. Zusätzlich kann die KCNQ3-assoziierte Epilepsie auch mit einer Entwicklungsstörung einhergehen.
Bei der gutartigen familiären neonatalen Epilepsie (BFNE) beginnen die Krampfanfälle bei einem ansonsten gesunden Säugling zwischen dem zweiten und achten Lebenstag und verschwinden spontan zwischen dem ersten und dem sechsten bis zwölften Lebensmonat. Die Krampfanfälle sind in der Regel kurz und dauern ein bis zwei Minuten. Die Anfallstypen umfassen tonische oder apnoeische Episoden, fokale klonische Aktivität und autonome Veränderungen. Die motorische Aktivität kann auf ein Körperteil beschränkt sein, in andere Regionen wandern oder generalisieren.
Bei der gutartigen familiären infantilen Epilepsie (BFIE) beginnen die Anfälle im ersten Lebensjahr, jenseits der Neugeborenenperiode, und verschwinden nach ein bis zwei Jahren. Die Krampfanfälle sind im Allgemeinen kurz und dauern in etwa zwei Minuten. Sie können als täglich wiederholte Cluster auftreten. Der Anfallstyp ist normalerweise fokal, kann aber auch generalisieren und eine diffuse Hypertonie mit Rucken der Gliedmaßen, Kopfabweichung oder motorischem Stillstand mit Bewusstlosigkeit und Zyanose verursachen. Die psychomotorische Entwicklung ist normalerweise normal.
PCDH19-assoziierte Epilepsie
PCDH19
Die PCDH19-assoziierte Epilepsie ist gekennzeichnet durch medizinisch refraktäre Anfälle, eine geistige Entwicklungsstörung, eine Autismus-Spektrum-Störung und Verhaltensstörungen. Die Patienten weisen häufig fieberbedingte Anfälle auf, die sich typischerweise häufen, mit mehreren Anfällen in einer bestimmten Episode. Die Erkrankung folgt einem einzigartigen X-chromosomalen Expressionsmuster, bei dem fast ausschließlich Frauen Symptome zeigen, während männliche Mutationsträger typischerweise unauffällig sind, obwohl einige Fälle neuropsychiatrischen Auffälligkeiten berichtet wurden. Ursache ist ein natürliches Mosaikmuster, das aufgrund der X-Inaktivierung bei der Frau entsteht. Aus diesem Grund wird ebenso eine große phänotypische Variabilität beobachtet. Männer, welche ein Mosaik für eine pathogene Mutation im PCDH19-Gen aufweisen, zeigen ähnliche Symptome wie weibliche Mutationsträgerinnen.
HCN1-assoziierte Epilepsie
HCN1
Die HCN1-assoziierte Epilepsie ist gekennzeichnet durch ein breites Spektrum von Phänotypen, das von den sehr leichten und gutartigen fiebrigen Krampfanfällen, den Fieberkrämpfen plus und der genetisch generalisierten Epilepsie (GGE) über mittelschwere Formen der genetisch generalisierten Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus (GEFS+), fokalen oder unklassifizierten Epilepsien bis hin zur schwerwiegenden neonatalen oder infantilen epileptischen Enzephalopathie reichen kann. Interessanterweise können auch Patienten mit einer HCN1-Mutation lediglich eine geistige Entwicklungsstörung und Autismus-Spektrum-Störung ohne Krampfanfälle aufweisen.
EFHC1-assoziierte Epilepsie
EFHC1
Obwohl das Auftreten von Myoklonus und generalisierten tonisch-klonischen Anfällen im Jugendalter die Möglichkeit einer juvenilen myoklonischen Epilepsie (OMIM 254770) erhöhen kann, sollte das Fortbestehen einer Verlangsamung des EEG-Hintergrunds und einer kognitiven Verschlechterung den Verdacht auf ein schwereres Epilepsiesyndrom wie einen progressiven Myoklonus erwecken Epilepsie. Juvenile myoklonische Epilepsie wird durch pathogene Varianten von EFHC1 verursacht; Vererbung ist autosomal dominant.
Pyridoxin-abhängige Epilepsie
ALDH7A1
Die Pyridoxin-abhängige Epilepsie ist gekennzeichnet durch schwer einstellbare Anfälle innerhalb der ersten Lebenswochen bis -monate, die nicht mit Antiepileptika kontrolliert werden, sondern sowohl klinisch als auch elektrographisch auf eine tägliche Zufuhr mit großen Mengen von Pyridoxin (Vitamin B6) ansprechen. Es sind verschiedene Arten von klinischen Anfällen bei Personen mit pyridoxin-abhängiger Epilepsie beschrieben. Typischerweise treten verlängerte Anfälle mit wiederkehrenden Episoden des Status epilepticus auf. Des weiteren sind wiederkehrende selbstlimitierte Ereignisse einschließlich partieller Anfälle, generalisierter Anfälle, atonischer Anfälle, myoklonischer Ereignisse und infantiler Spasmen ebenfalls beschrieben. Zusätzlich können betroffene Personen Krampfanfälle, welche nur im EEG sichtbar sind ohne eine klinische Korrelation, aufweisen. Bei der neonatalen Form kann es bereits kurz nach Geburt zu Anfällen kommen. Zudem können atypische Eigenschaften, auftreten, wie spät einsetzende Anfälle (Beginn vom späten Säuglingsalter bis hin zum Alter von 3 Jahren), Anfälle, die zunächst auf Antiepileptika ansprechen und dann schwer einzustellen sind, Anfälle im frühen Alter, die nicht auf Pyridoxin ansprechen, dann aber einige Monate später mit Pyridoxin kontrolliert werden können und verlängerte anfallsfreie Intervalle (≤ 5 1/2 Monate), die nach Absetzen von Pyridoxin auftreten. Eine geistige Entwicklungsstörung ist häufig. Im Urin und Plasma lässt sich eine erhöhte Konzentration von α-Aminoadipinsemialdehyd (α-AASA) nachweisen. Des weiteren kann im Plasma und im Liquor die Pipecolinsäure erhöht sein.
Pyridoxamin-5'-Phosphat-Oxidase-Mangel
PNPO
Bei dem Pyridoxamin-5′-Phosphat-Oxidase-Mangel handelt es sich um eine autosomal-rezessive Stoffwechselerkrankung, die zu schweren neonatalen Krampfanfällen, welche bis zum Koma reichen und mit einer Apnoe einhergehen können. Die Krampfanfälle sprechen auf eine Behandlung mit Pyridoxalphosphat an. Im Liquor sind erhöhte Glycin-Level sowie erniedrigte Pyridoxalphosphat nachweisbar.
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Institut für Immunologie und Genetik
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