Tumorgenetik

Tumorerkrankungen

Hereditärer Brust-und Eierstockkrebs:
Stufe 1: BRCA1, BRCA2, CHEK2, PALB2, RAD51C (22,2 kb)
Stufe 2: ATM, BRIP1, CDH1, EPCAM, MLH1, MSH2, MSH6, PMS2, PTEN, RAD51D, STK11, TP53 (33 kb)

Brustkrebs zählt zu den häufigsten bösartigen Tumorerkrankungen. Ungefähr jede 10. Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. In ungefähr 5- 10% der Fälle liegt jedoch eine erbliche Prädisposition vor. Mittlerweile sind verschiedene Gene bekannt, die mit einem erhöhten Risiko für Brust- und Eierstockkrebs, falls sie eine Mutation aufweisen. In ca. 30% der Fälle kann eine Mutation in den Genen BRCA1 und BRCA2 nachgewiesen werden. Der erbliche Brust- und Eierstockkrebs (HBOC) wird autosomal- dominant vererbt. Kinder von Mutationsträgern haben ein Risiko von 50% ebenfalls die Mutation zu tragen. 

Das Auftreten von Brustkrebs liegt bei Frauen mit einer BRCA1-Mutation bei 50-80% und bei BRCA2-Mutation bei 40-70%. Jedoch ist das Brustkrebsrisiko altersabhängig und liegt bei Frauen ab dem 40. Lebensjahr bei ca. 3%/Jahr mit Ausnahme zwischen dem 45. und 49. LJ, wo das Risiko höher ist. Das Eierstockrisiko steigt erst etwas später an (ab dem ca. 40. LJ). Bei BRCA2-Mutationen steigt das Brustkrebsrisiko mit zunehmendem Alter an und das Eierstockkrebsrisiko scheint ab dem 60. LJ wieder abzunehmen.

Das Brustkrebsrisiko bei Männern liegt bei einer BRCA2-Mutation bei ca. 6% und bei einer BRCA1-Mutation bei ca. 1-2%. Es besteht jedoch ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöhtes Risiko an einem Prostatakarzinom zu erkranken. Aus diesem Grund sollte über die Möglichkeit eines Prostatakarzinom-Screenings bereits ab dem 40. LJ informiert werden. 

Indikation

Indikation für BRAC1 und BRCA2-Testung:

Zusätzlich besteht die Möglichkeit einer Testung aus Gewebe bei Eierstockkrebs sowie aus Blut bei einem metastasierten, HER-2-negativem Brustkrebs, einem metastasiertem Pankreaskarzinom und einem metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom bei einer Therapieentscheidung hinsichtlich eines PARP-Inhibitors. 

Die Diagnostik erfolgt in einem zwei-stufigen Prozess. Es werden zunächst die 5 Core-Gene ausgewertet. Sollten diese unauffällig sein, besteht die Möglichkeit einer erweiterten Panel-Diagnostik der Stufe 2.

Indikation für BRAC1 und BRCA2-Testung:

Bei Planung einer neoadjuvanten Chemotherapie oder bei der Therapieentscheidung hinsichtlich eines PARP-Inhibitors in Abhängigkeit von einer BRCA1/BRCA2-Mutation bieten wir für die Gene BRCA1 und BRCA2 eine „Fast-Track“-Analyse mit einer Analysezeit von 2 Wochen an. 

Um eine Fast-Track Analyse anzufordern, bitten wir Sie dies durch einen Vermerk auf unserem Anforderungsbogen zu kennzeichnen.

HNPCC/Lynch-Syndrom
(Mikrosatellitenanalyse und Expressionsanalyse)
Stufe 1: MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 (11,8 kb)
Stufe 2: EPCAM 

Das hereditäre Nicht Polypöse Kolonkarzinom (HNPCC) stellt mit ca. 3 % der Kolon- und Rektumkarzinome die häufigste Form der autosomal-dominant vererbten Dickdarmkrebserkrankungen dar. Hinweise auf eine erbliche Tumorerkrankung ergeben sich aus der Familienanamnese. Molekulargenetisch sind Defekte in DNA-Reparaturgenen für die Erkrankung verantwortlich. Aus diesem Grund sind diese Tumore hochgradig mikrosatelliteninstabil und es findet sich ein Expressionsausfall für eines der DNA-Reparaturgene. Diese Form der HNPCC-Erkrankung wird auch als Lynch-Syndrom bezeichnet.

Das Lynch-Syndrom ist dadurch gekennzeichnet, dass die Tumorerkrankungen nicht nur im Gastrointestinaltrakt auftreten, sondern auch eine Risikoerhöhung für Karzinome des Magens, des Endometriums, des Urothelgewebes, des hepatobiliären Systems, der Eierstöcke, des ZNS und der Haut besteht. Da bei dem Lynch-Syndrom eine verkürzte Adenom-Karzinom-Sequenz vorliegt und somit auch kleine Adenome ein Entartungspotential aufweisen, ist es wichtig, die betroffenen Familien zu identifizieren und ihnen ein entsprechend engmaschiges Vorsorgeprogramm mit jährlichen Untersuchungsintervallen zu empfehlen.

Indikation:

Die Voraussetzung für eine Mikrosatellitenanalyse ist gegeben, wenn die revidierten Bethesda-Kriterien erfüllt sind:

Bethesda-Kriterien (revidiert; mindestens ein Kriterium muss erfüllt sein)

Eine direkte Sequenzierung der Gene von Stufe 1 kann durchgeführt werden, wenn die Amsterdam I oder II – Kriterien erfüllt sind. 

Amsterdam-I-Kriterien (alle Kriterien müssen erfüllt sein)

Amsterdam-II-Kriterien (alle Kriterien müssen erfüllt sein)

Die Diagnostik erfolgt in einem zwei-stufigen Prozess. Es werden zunächst die 4 Core-Gene ausgewertet. Sollten diese unauffällig sein, besteht die Möglichkeit einer erweiterten Panel-Diagnostik der Stufe 2.

Familiäre adenomatöse Polyposis APC (8,5 kb)

Die familiäre adenomatöse Polypsis (FAP) ist gekennzeichnet durch das Auftreten einer Vielzahl von zunächst gutartigen Adenomen, vor allem im Bereich des Dickdarms. Meist bestehen schon im frühen Erwachsenenalter – in der Regel zwischen dem 10. Und 25. Lebensjahr – mehr als 100 Adenome. Unbehandelt kann sich aus diesen Adenomen in nicht genau vorhersehbarer Zeit ein kolorektales Karzinom entwickeln. Aus diesem Grund stellt die FAP eine Präkanzerose dar. Etwas 1 % aller kolorektalen Karzinome geht auf eine FAP zurück. Das frühzeitige Erkennen und Behandeln der Adenome sind daher von entscheidender Bedeutung. 

Zusätzlich können auch Veränderungen außerhalb des Magendarmtraktes beobachtet werden. Hierbei handelt es sich um Desmoide, harmlose Pigmentflecken der Netzhaut (CHRPE), Epidermoidzysten, Zahnanomalien, Osteome, Schilddrüsenkrebs (1-12% der Betroffene), Medulloblastome (weniger als 1%) und Hepatoblastome (ca. 1%). 

Bei der FAP handelt es sich um eine autosomal-dominante Erkrankung. Mutationsträger können somit mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% die Mutation im APC-Gen an ihre Kinder weitergeben.

Eine molekulargenetische Analyse des APC-Gens ist indiziert bei:

MUTYH- assoziierte Poyposis MUTYH (1,7 kb)

Die MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP) ist gekennzeichnet durch das Auftreten einer Vielzahl von Polypen des Dickdarms, die jedoch in der Regel später und weniger zahlreich auf als bei der klassischen FAP auftreten. Der Dickdarmkrebs tritt bei unbehandelten Patienten oft erst im fünften oder sechsten Lebensjahrzehnt auf, der Verlauf kann jedoch auch innerhalb der Familie sehr variabel sein. Bei der MAP handelt es sich um eine autosomal-rezessive Erkrankung. Die Eltern des Betroffenen sind somit Anlageträger für MAP und haben nach derzeitiger Erkenntnis allenfalls ein geringfügig erhöhtes Risiko für Dickdarmkrebs im höheren Lebensalter. 

Peutz-Jeghers-Syndrom STK11 (1,3 kb)

Das Peutz-Jeghers-Syndrom ist gekennzeichnet durch charakteristische Polypen des Magendarmtrakts (hamartomatöse Polypen) und Pigmentflecken im Bereich der Lippen und der Wangenschleimhaut. Die Polypen entwickeln sich am häufigsten im Dünndarm, können jedoch auch im Dickdarm und Magen auftreten. Das Risiko im Laufe seines Lebens einen Tumor zu entwickeln liegt nach aktueller Studienlage bei ca. 80%. Unbehandelt treten diese Tumore des Gastrointestinaltraktes meist im 3. und 4. Lebensjahrzehnt auf. Zusätzlich besteht ein erhöhtes Lebenszeitrisiko für Tumoren der Brustdrüse (30-60% bei Frauen), der Bauchspeicheldrüse (5-20%), der Lunge, der Eierstöcke, der Gebärmutterschleimhaut, des Gebärmutterhalses und der Hoden. 

Familiäre juvenile Polyposis BMPR1A, SMAD4 (3 kb)

Die familiären juvenile Polyposis ist gekennzeichnet durch das Auftreten vieler „juveniler Polypen“, welche sich vorrangig im Dickdarm, Magen und Dünndarm befinden. Die Anzahl der Polypen und das Erkrankungsalter können dabei innerhalb einer Familie stark variieren. Patienten mit familiärer juveniler Polyposis haben nach aktueller Datenlage unbehandelt ein hohes Risiko, bis zu ihrem 60. Lebensjahr an Dickdarmkrebs zu erkranken. Zusätzlich besteht ein erhöhtes Risiko für Magen-, Dünndarm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. 

Ist eine Mutation im SMAD4-Gen nachweisbar, können zusätzlich klinische Symptome einer hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie bestehen. 

Polymerase Proofreading-assoziierte Polyposis POLD1, POLE (9,9 kb)

Polymerase Proofreading-assoziierte Polyposis (PPAP) ist durch das Auftreten von einigen (≥ 5) bis vielen Polypen (Adenomen) und einer Häufung von Dickdarmkrebs mit meist jungem Erkrankungsalter (≤ 40 Jahre) gekennzeichnet. Es zeigt sich jedoch eine starke Variabilität des Krankheitsverlaufs im Hinblick auf die Anzahl der Polypen, das Erkrankungsalter und das Risiko für Darmkrebs. 

Cowden-Syndrom PTEN (1,2 kb)

Das Cowden-Syndrom und das Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom werden heute unter dem Begriff „PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom“ (PHTS) zusammengefasst, welches durch das Auftreten von Hamartomen und einer Mutation im PTEN-Gen gekennzeichnet ist. Das Cowden-Syndrom geht mit einem hohen Risiko für gutartige und bösartige Tumoren verschiedener Organe einher (Schilddrüse, Brust, Endometrium, Haut, Darm und zentrales Nervensystem). Die Veränderungen treten in der Regel im 2.-3. Lebensjahrzehnt auf. 99% der Patienten entwickeln Trichilemmome und papillomatöse Papeln, sowie häufig auch akrale und plantare Keratosen. Hamartomatöse Polypen sind im Dickdarm, Magen und teilweise auch im Zwölffingerdarm nachweisbar. Zusätzlich besteht bei Patienten mit Cowden-Syndrom ein großer Kopfumfang (Makrozephalie). Das Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom ist gekennzeichnet durch eine Makrozephalie, Lipome, Hämangiome und eine motorische Entwicklungsverzögerung.

Magenkarzinom vom diffusen Typ CDH1 (2,6 kb)

Das hereditäre diffuse Magenkarzinom stellt ein schlecht differenziertes Adenokarzinom der Magenwand dar und wird auch als Siegelring-Karzinom oder isoliertes Zelltyp-Karzinom bezeichnet. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 38 Jahren (Bereich: 14-69 Jahre). Träger einer Mutation im CDH1-Gen haben ein sehr hohes Risiko bereits vor dem 40. Lebensjahr an Magenkrebs zu erkranken. Das geschätzte kumulative Risiko für Magenkrebs bis zum Alter von 80 Jahren beträgt 70% für Männer und 56% für Frauen. Bei Frauen liegt das Risiko für lobulären Brustkrebs ebenfalls bei 42%.

Ein hereditäres diffuses Magenkarzinom sollte in Betracht gezogen werden bei: 

Das familiäre Magenkarzinom kann im Rahmen von vielen verschiedenen Tumorsyndromen auftreten: Juvenile Polyposis des Gastrointestinaltraktes, hereditäres diffuses Magenkarzinom, Li-Fraumeni-Syndrom, Lynch-Syndrom, familiärer Brust- und Eierstockkrebs und Peutz-Jeghers-Syndrom.

Familiäres Pankreaskarzinom

Stufe 1: BRCA1, BRCA2, CDKN2A, CHEK2, PALB2, STK11 (22,9 kb)
Stufe 2: APC, ATM, BMPR1A, EPCAM, MLH1, MSH2, MSH6, PMS2, PTEN, SMAD4, TP53, VHL (36,7 kb)

Ein familiäres Pankreaskarzinom liegt vor, wenn mindestens zwei erstgradig Verwandte an einem Pankreaskarzinom erkrankt sind. Etwa 5-10% der Patienten erfüllen dieses Kriterium. Das Ziel ist es bei Mutationsnachweis, gesunde Risikopersonen innerhalb der Familie zu identifizieren und ihnen ein geeignetes Vorsorgeprogramm an die Hand zu geben. 

Zusätzlich besteht die Möglichkeit einer Testung aus Blut bei einer Therapieentscheidung hinsichtlich eines PARP-Inhibitors. 

Fast-Track-Analyse
Bei der Therapieentscheidung hinsichtlich eines PARP-Inhibitors in Abhängigkeit von einer BRCA1/BRCA2-Mutation bieten wir für die Gene BRCA1 und BRCA2 eine „Fast-Track“-Analyse mit einer Analysezeit von 2 Wochen an. Um eine Fast-Track Analyse anzufordern, bitten wir Sie dies durch einen Vermerk auf unserem Anforderungsbogen zu kennzeichnen.

Li Fraumeni-Syndrom TP53, CHEK2 (2,8 kb)

Das Li-Fraumeni-Syndrom (LFS) stellt ein Krebs-Prädispositionssyndrom dar, das mit hohen Risiken für ein vielfältiges Spektrum von bösartigen Tumoren im Kindes- und Erwachsenenalter assoziiert ist. Das Lebenszeitrisiko für eine Krebserkrankung beträgt ≥70% für Männer und ≥90% für Frauen. Fünf Krebsarten machen die Mehrheit der LFS-Tumoren aus: Nebennierenrindenkarzinome, Brustkrebs, Tumoren des Zentralnervensystems, Osteosarkome und Weichteilsarkome. Zusätzlich besteht noch ein erhöhtes Risiko für weitere Krebsarten, darunter Leukämie, Lymphome, Magen-Darm-Krebs, Kopf- und Halskrebs, Nieren-, Kehlkopf-, Lungen-, Haut-, Eierstock-, Bauchspeicheldrüsen-, Prostata-, Hoden- und Schilddrüsenkrebs. Aus diesem Grund wird ein umfassendes Vorsorgeprogramm für Personen mit einer Mutation im TP53-Gen empfohlen. 

Hereditäres Phäochromozytom- und Paragangliomsyndrom

BAP1, FH, MAX, MEN1, NF1, PRKAR1A, RET, SDHA, SDHAF2, SDHB, SDHC, SDHD, TMEM127, VHL (24,5 kb)

Das hereditäre Phäochromozytom-Paragangliom- Syndrom (PPGL) ist gekennzeichnet durch die Entwicklung von meist gutartigen Tumoren der Paraganglien. Die häufigsten Paragangliome finden sich im Kopf-, Hals- oder Rumpfbereich. Ein Tumor der Nebennieren, welcher Katecholamine produziert, wird Phäochromozytom genannt. 

Ein PPGL sollte in Betracht gezogen werden bei: 

Das Risiko, Paragangliome und Phäochromozytome zu entwickeln, steigt mit zunehmendem Alter. Während es im Alter von 30 Jahren bei etwa 29% bis 50% liegt, haben im Alter von 50 Jahren bereits bis zu 86% der Patienten mindestens einen Tumor entwickelt. In den meisten Fällen sind die Tumore nicht bösartig, in seltenen Fällen können sich jedoch Karzinome entwickeln, die auch metastasieren können.  

Familiäres medulläres Schilddrüsenkarzinom RET (3,3 kb)

Das familiäre medulläre Schilddrüsenkarzinom entsteht aus den parafollikulären, calcitoninproduzierenden C-Zellen. Nur etwa 3 bis 4 % aller Schilddrüsenkarzinome stellen medulläre Schilddrüsenkarzinome dar. Das familiären medulläre Schilddrüsenkarzinom kann isoliert vorkommen oder im Rahmen von MEN2A und MEN2B.

Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN1) MEN1 (1,8 kb)

Eine multiple endokrine Neoplasie vom Typ 1 liegt vor, wenn eine positive Familienanamnese besteht oder zwei der nachfolgenden Kriterien erfüllt sind:  

MEN1 manifestiert sich selten vor dem 18. Lebensjahr. Etwa 30 bis 50 Prozent der MEN1-Patienten entwickeln maligne Tumore. 

Multiple endokrine Neoplasie Typ 2A und Typ 2B RET (3,3 kb)

Die multiple endokrine Neoplasie vom Typ 2A ist gekennzeichnet durch das Auftreten eines medullären Schilddrüsenkarzinoms. In 80% der Fälle besteht zusätzlich ein Phäochromozytom sowie ein primärer Hyperparathyreoidismus. In etwa 5 % der Fälle kommt es zusätzlich zu einem Auftreten von einem mukokutanen Neurinom und einer intestinalen Ganglionneuromatose mit einem aggressiven Verlauf des Schilddrüsenkarzinoms. Diese Form wird MEN2B genannt.

Von-Hippel-Lindau-Syndrom VHL (0,6 kb)

Das Von-Hippel-Lindau-Syndrom ist gekennzeichnet durch das Auftreten von gutartigen und bösartigen Tumoren verschiedener Organe. Die Erkrankung manifestiert sich im 2. bis 4. Lebensjahrzehnt. Bis zu einem Alter von 65 Jahren haben nahezu 100% mindestens einen Tumor entwickelt. Bei etwa 70% der Patienten tritt ein klarzelliges Nierenkarzinom aus, welches auch die Mortalität der Erkrankung bestimmt. Zusätzlich können neuroendokrine Tumore sowie gutartige Tumore, wie Hämangioblastome des ZNS, retinale Angiome, Phäochromozytome, Zystadenome der Nebenhoden oder des Eierstocks sowie Innenohrtumore auftreten. 

Wilms-Tumor WT1 (1,6 kb)

Der Wilms-Tumor, auch Nephroblastom genannt, stellt den häufigsten Nierentumor im Kindesalter dar. Er zeigt sich in der Regel als eine abdominale Masse bei einem ansonsten scheinbar gesunden Kind. Bauchschmerzen, Fieber, Anämie, Hämaturie und Bluthochdruck werden bei 25%-30% der betroffenen Kinder beobachtet. Bei etwa 1%-2% der Betroffenen wurde bei mindestens einem Verwandten ebenfalls ein Wilms-Tumor diagnostiziert.

Tuberöse Sklerose TSC1, TSC2 (8,9 kb)

Die Tuberöse Sklerose ist gekennzeichnet durch Fehlbildungen und gutartigen Tumoren, sogenannten Hamartomen, in fast allen Organsystemen. Liegt eine Beteiligung des Gehirns vor, können Epilepsien, sowie eine mentale Retardierung oder Autismus auftreten. Die Ausprägung des Krankheitsbildes ist sehr variabel. 

Eine Tuberöse Sklerose liegt vor, wenn zwei Hauptkriterien oder ein Hauptkriterium und zwei Nebenkriterien erfüllt sind.

Hauptkriterien:

Nebenkriterien:

Neurofibromatose Typ 1 NF1 (8,5 kb)

Die Neurofibromatose Typ 1 ist gekennzeichnet durch multiple Anomalien der Haut und des peripheren und/oder des zentralen Nervensystems.  Des weiteren können zusätzliche Organsysteme betroffen sein. In 30 bis 40 % der Fälle können die Patienten eine Lernbehinderung aufweisen. 

Die klinische Verdachtsdiagnose kann gestellt werden, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien vorliegen:

Neurofibromatose Typ 2 NF2 (1,8 kb)

Die Neurofibromatose 2 (NF2) ist gekennzeichnet durch das Auftreten von bilateralen vestibuläre Schwannome, welche mit Tinnitus, Hörverlust und Gleichgewichtsstörungen einhergehen können. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 18 bis 24 Jahren. In einem Alter von 30 Jahren haben bereits fast alle Betroffene ein bilaterales vestibuläres Schwannome entwickelt. Betroffene Personen können auch Schwannome anderer kranialer und peripherer Nerven, sowie Meningiome, Ependymome und sehr selten Astrozytome entwickeln. Etwa 10 % der NF2-Patienten können auch einzelne Café-au-lait Flecken aufweisen, Lischknötchen werden jedoch dagegen selten beobachtet.

Fanconi-Anämie

Stufe 1: FANCA, FANCB, FANCC, FANCD2, FANCE, FANCF, FANCG, FANCI, FANCL (22.8 kb)
Stufe 2: BRCA1, BRCA2, BRIP1, FANCM, PALB2, RAD51C, SLX4 (33 kb)

Die Fanconi-Anämie ist gekennzeichnet durch angeborene Fehlbildungen, Knochenmarksversagen und ein erhöhtes Risiko für bösartige Erkrankungen. Zu den körperlichen Anomalien, die bei etwa 75% der Betroffenen auftreten, gehören unter anderem: Kleinwuchs, veränderte Hautpigmentierung (Hyperpigmentierung), Skelettfehlbildungen der oberen und unteren Gliedmaßen, Mikrozephalie sowie Anomalien der Augen und des Urogenitaltrakts. Die progressive Knochenmarksinsuffizienz mit Panzytopenie tritt bereits typischerweise im ersten Lebensjahrzehnt auf, oft zunächst mit einer Thrombozytopenie oder Leukopenie. Die Inzidenz der akuten myeloischen Leukämie liegt bei 13% im Alter von 50 Jahren. Zusätzlich besteht ein erhöhtes Risiko, solide Tumore – insbesondere des Kopfes und Halses, der Haut, des Magen-Darm-Traktes und des Urogenitaltraktes – zu entwickeln.

Basalzellnävus-Syndrom (Gorlin-Goltz-Syndrom) PTCH1, SUFU (5,8 kb)

Das Basalzellnävus-Syndrom ist gekennzeichnet durch die Entwicklung multipler Kieferkeratozysten, die häufig ab dem 2.Lebensjahrzehnt auftreten sowie durch das Auftreten von Basalzellkarzinome meist ab dem 3. Lebensjahrzehnt. Ungefähr 60% der Betroffenen haben ein erkennbares Erscheinungsbild mit Makrozephalie, prominenter Stirn, groben Gesichtszügen und Gesichtsmilien. Des weiteren können Skelettanomalien wie bifide Rippen oder keilförmige Wirbel auftreten. Ektopische Verkalkung, insbesondere in der Falx, können bei mehr als 90% der Betroffenen im Alter von 20 Jahren nachgewiesen werden. Herz- und Eierstockfibrome treten bei etwa 2% bzw. 20% der Personen auf. Etwa 5% aller Kinder mit einem Basalzellnävus-Syndrom entwickeln ein Medulloblastom, wobei das Risiko, ein Medulloblastom zu entwickeln, ist bei Personen mit einer Mutation im SUFU-Gen (33%) wesentlich höher ist als bei Personen mit einer Mutation im PTCH1-Gen (<2%). Die Lebenserwartung ist jedoch nicht signifikant eingeschränkt.

Carney-Complex PRKAR1A (1,1 kb)

Der Carney-Komplex ist gekennzeichnet durch Hautpigmentanomalien, Myxome, endokrine Tumore und Schwannome. Das häufigste Erscheinungsbild stellen hellbraune bis schwarze Lentigines dar, typischerweise in der Pubertät zunehmen. In jungen Jahren können kardiale Myxome auftreten. Weitere Lokalisationen für Myxome sind die Haut, die Brust, der Oropharynx und der weibliche Genitaltrakt. Die primäre pigmentierte noduläre Nebennierenrindenerkrankung, die das Cushing-Syndrom verursacht, stellt den am häufigsten beobachtete endokrine Tumor dar und kann bei etwa 25% der Betroffenen beobachtet werden. Großzellige, kalzifizierende Sertoli-Zell-Tumore sind bei einem Drittel der betroffenen Männer innerhalb des ersten Lebensjahrzehnts und bei den meisten erwachsenen Männern zu finden. Etwa 75 % der Betroffenen entwickeln multiple Schilddrüsenknoten, bei denen es sich meist um nicht funktionierende follikuläre Adenome der Schilddrüse handelt. Zusätzlich kann eine Akromegalie durch ein Wachstumshormon-produzierendes Adenom bei etwa 10% der Erwachsenen beobachtet werden. Etwa 10% der Betroffenen entwickeln ein psammomatöses melanotisches Schwannom. 

BAP1-Tumorprädispositions-Syndrom BAP1 (2,2 kb)

Das BAP1-Tumorprädispositions-Syndrom ist mit einem erhöhten Risiko für atypische Spitz-Tumore assoziiert. Zusätzlich können noch weitere Krebsarten auftreten:  Uveales Melanom, malignes Mesotheliom, kutanes Melanom, klarzelliges Nierenzellkarzinom und Basalzellkarzinom. Im Allgemeinen ist das mediane Alter des Auftretens dieser Tumoren jünger als in der Allgemeinbevölkerung. 

Hereditäres multiples Osteochondrom (multiple Exostosis) EXT1, EXT2

Das hereditäre multiple Osteochondrom, früher hereditäre multiple Exostosen genannt, ist gekennzeichnet durch das Wachstum multipler Osteochondrome, die als gutartige knorpelbedeckte Knochentumore aus den Metaphysen der langen Knochen nach außen wachsen. Osteochondrome können mit einer Reduktion des Skelettwachstums, knöcherner Deformität, eingeschränkter Gelenkbewegung, verkürzter Statur, vorzeitiger Osteoarthrose und Kompression peripherer Nerven einhergehen. Das mediane Diagnosealter liegt bei drei Jahren; fast alle Betroffenen werden im Alter von 12 Jahren diagnostiziert. Das Risiko für die Entwicklung eines Osteochondrosarkoms steigt mit dem Alter, obwohl das Lebenszeitrisiko für eine bösartige Veränderung mit etwa 2%-5% gering ist.

Birt-Hogg-Dubé-Syndrom FLCN (1,7 kb)

Das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom ist gekennzeichnet durch zahlreiche benigne Tumore der Haarfollikel, die typischerweise in der 3.-4. Lebensdekade in Gesicht, Hals und Oberkörper auftreten. Zusätzlich können auch Angiofibrome, perifollikuläre Fibrome und papillomatöse Veränderungen auftreten. Außerdem treten Lungenzysten, Pneumothorax sowie verschiedene renale Tumore auf. Die häufigsten Nierentumore stellen dabei das klarzellige Nierenkarzinom (75 %), das papilläre Nierenkarzinom (15 %), Oncozytom (5 %) und das chromophobe Nierenkarzinom (5 %) dar. Etwa 5 % der familiären Fälle von klarzelligen Nierenkarzinomen sind dem Birt-Hogg-Dubé-Syndrom zuzuordnen. 

Papilläres Nierenzellkarzinom MET (4,2 kb)

Das hereditäre papilläre Nierenkarzinom ist gekennzeichnet durch multiple, bilaterale papilläre Nierenzellkarzinome. Dabei werden nur etwa 10 % aller Nierenzellkarzinome histologisch zu den papillären Nierenzellkarzinomen gerechnet. Der Großteil davon scheint sporadisch zu sein, eine familiäre Häufung wird selten beobachtet. 

Nierenzellkarzinom

BAP1, CDKN1C, CHEK2, DICER1, DIS3L2, EPCAM, FH, FLCN, GPC3, HNF1A, MET, MLH1, MSH2, MSH6, PALB2, PMS2, PTEN, SDHA, SDHAF2, SDHB, SDHC, SDHD, TP53, TSC1, TSC2, VHL, WT1 (54,6 kb)

Das Nierenzellkarzinom kann im Rahmen vieler verschiedener Tumorsyndromen auftreten, unter anderem dem hereditären papillären Nierenkarzinom, hereditären Leiomatosis-Nierenzellkarzinom-Syndrom, Birt-Hogg-Dubé-Syndrom, Von-Hippel-Lindau-Syndrom. 

DICER1-assoziiertes Tumorsyndrom DICER1 (5,8 kb)

Das DICER1-assoziierte Tumorsyndrom ist gekennzeichnet durch ein erhöhtes Risiko für pleuropulmonale Blastome, Lungenzysten, Schilddrüsenneoplasien, Ovarialtumore (Sertoli-Leydig-Zell-Tumor, Gynandroblastom und Sarkom) und zystische Nephrome. Zu den weniger häufig beobachteten Tumoren gehören das Ziliarkörpermedulloepitheliom, das nasale chondromesenchymale Hamartom, das embryonale Rhabdomyosarkom, das Hypophysenblastom, das Pineoblastom, das Sarkom des Zentralnervensystems (ZNS), sowie andere ZNS-Tumoren und der präsakrale maligne teratoide Tumor. Das Erkrankungsalter liegt dabei meist vor dem 40. Lebensjahr. Das pleuropulmonale Blastom tritt typischerweise bei Säuglingen und Kindern unter sechs Jahren auf. Das zystische Nephrom tritt in der Regel bei Kleinkindern auf, wurde aber auch bei Heranwachsenden beobachtet. Zusätzlich können noch weitere Merkmale, wie Makrozephalie, Augenanomalien, strukturelle Anomalien der Niere sowie Zahnanomalien auftreten.

Tumorzytogenetik (Wiesbaden)

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Ansprechpartner

Dr. med. Anne-Karin Kahlert

Maudacher Str. 192
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